Die nachhaltige und damit auch klimagerechte Stadt- und Siedlungsentwicklung ist Gegenstand vielfältiger nationaler und europäischer Leitbilder und Initiativen. Sie bilden einen wichtigen Orientierungsrahmen für kommunale Konzepte und Maßnahmen und werden deswegen als übergeordnete Planungsgrundsätze im Folgenden dargestellt. Als weitere Planungsgrundlagen werden darüber hinaus die formellen sowie die informellen Planungsinstrumente, die den Kommunen zur Steuerung einer klimagerechten Siedlungsentwicklung zur Verfügung stehen, beschrieben.
Nationale Planungsgrundsätze
Auf übergeordneter Ebene gibt es verschiedene Planungsgrundsätze, Leitbilder und Initiativen, die explizit das Thema Klimaschutz in der Stadtplanung aufgreifen und darstellen, wie Maßnahmen auf lokaler Ebene eingeleitet und umgesetzt werden können.
- Neue Leipzig Charta
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Die „Leipzig Charta für eine nachhaltige europäische Stadt“ wurde zum Zeitpunkt der deutschen Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union 2007 ausformuliert, ihre Fortschreibung als „Neue Leipzig-Charta“ erfolgte 2020. Beide schaffen als Leitdokumente für die Nationale Stadtentwicklungspolitik die Basis für eine Stadtpolitik und -entwicklung, die auf zeitgemäße Bedürfnisse und Bedarfe in Deutschland und ganz Europa reagiert. Ziel der Neuen Leipzig Charta ist es, resiliente Städte zu schaffen, die neuesten Entwicklungen zu nutzen und durch eine integrierte Stadtentwicklung Zielvorstellungen und Maßnahmen optimal aufeinander abzustimmen und Synergieeffekte zu nutzen. Die Charta hat dabei verschiedene Maßstabsebenen, vom Quartier bis zur Stadtregion, von Groß- bis Kleinstädten im Blick.
Inhaltlich richtet sich die Neue Leipzig Charta stark an der Stärkung des Gemeinwohls aus und befördert eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung. Stadt wird als das Werk vieler verschiedener Akteure verstanden, die alle an der Transformation zukunftsfähiger Städte mitwirken. Die Charta benennt drei Handlungsebenen der Stadtpolitik: die gerechte Stadt, die grüne Stadt und die produktive Stadt. Darüber hinaus identifiziert sie fünf Schlüsselprinzipien:- die Gemeinwohlorientierung,
- der integrierte Ansatz,
- Beteiligung und Koproduktion,
- die Mehrebenenkooperation,
- der ortsbezogene Ansatz.
Diese werden auf drei Maßstabsebenen stadtpolitischen Handelns umgesetzt: dem Quartier, der Gesamtstadt und der Region.
Die Neue Leipzig Charta beschreibt den Klimawandel, den Verlust der Biodiversität sowie die Ressourcenknappheit neben anderen als zentrale Herausforderungen einer integrierten und nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik. Entsprechend wird „die grüne Stadt“ als eins von drei Leitbildern gesetzt. Eine klimaneutrale Energieversorgung, die Nutzung erneuerbarer Ressourcen, die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen sowie klimabeständige und CO2-neutrale Gebäude werden als Baustein dieser „grünen Stadt“ ebenso beschrieben, wie effiziente, klimaneutrale, sichere und multimodale Verkehrs- und Mobilitätssysteme sowie „hochwertige grüne und blaue Infrastrukturen“, die zur Lebensqualität und Anpassungsfähigkeit von Städten an den Klimawandel beitragen.
Neue Leipzig Charta (Download pdf extern)
- European Green Deal
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Unter der Überschrift des Europäischen Grünen Deals formuliert die Europäische Kommission ihr Bestreben, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Um dieses Ziel zu erreichen, haben sich die EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet bis 2030 die Emissionen um mindestens 55% zu senken (gemessen am Stand von 1990). Die Umsetzung erfordert Investitionen und Transformationen in vielen Bereichen. Handlungsfelder sind z. B.: eine nachhaltige Gestaltung des Verkehrs, eine ökologisch orientierte Produktion, ein sauberes Energiesystem, die Sanierung von Gebäuden und ein grünerer Lebensstil, Natur- und Umweltschutz (Erhalt der biologischen Vielfalt) sowie die Förderung globaler Klimaschutzmaßnahmen (z. B. Reduktion von Emissionen im weltweiten Luft- und Seeverkehr).
European Green Deal: Dokumente zu Umsetzung und Einzelthemen des European Green Deal (Download pdf extern)
- Neues Europäisches Bauhaus
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Das Neue Europäische Bauhaus (NEB) ist eine Initiative der Europäischen Kommission, die das Umwelt- und Wirtschaftsprojekt „European Green Deal“ um eine kulturelle und kreative Dimension ergänzen soll. Es werden Mittel aus verschiedenen EU-Programmen bereitgestellt, um – unter Bezugnahme auf die wichtigsten Prinzipien der ursprünglichen Bauhaus-Bewegung – kreative, interdisziplinäre Projekte zu ermöglichen, die neue Wege erproben und aufzeigen, wie Europa bis 2050 klimaneutral werden kann. Die Initiativen des NEB sollen sich über mehrere Ebenen – vom Globalen zum Lokalen – erstrecken und dabei partizipativ und transdisziplinär gestaltet werden. Es sollen Ideen und Erfahrungen von Bürgerinnen und Bürgern, Fachleuten und Organisationen einbezogen werden. Als zentrale Aspekte sollen Nachhaltigkeit, Ästhetik und Inklusion miteinander verknüpft werden. Die Umsetzung der Initiativen soll sich an vier thematischen Schwerpunkten orientieren. Dies sind die Rückbesinnung auf die Natur, die Wiedererlangung eines Gefühls der Zugehörigkeit, die Unterstützung von vulnerablen Orten und Gruppen sowie die langfristige Übernahme eines Lebenszyklusdenkens in das industrielle Ökosystem.
- Europäischer Klimapakt
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Die EU hat die Realität der Klimakrise anerkannt und ist fest entschlossen, ihr entgegenzuwirken. Im europäischen Grünen Deal hält sie das Ziel fest, eine gerechtere, gesundere und wohlhabendere Gesellschaft zu schaffen und nachfolgenden Generationen einen gesunden Planeten zu sichern. Der europäische Klimapakt ermöglicht es vor diesem Hintergrund allen Menschen, Gemeinschaften und Organisationen in Europa, sich am Klimaschutz zu beteiligen. Er versteht sich als offene, inklusive und ambitionierte Initiative für alle. Als Bestandteil des europäischen grünen Deals bietet der Klimapakt Raum für Informationsaustausch, Debatten und Maßnahmen, die die europäische Klimaschutzbewegung unterstützen und erweitern sollen. Dazu gehört es zuvorderst, Wissen über den Klimawandel zu erwerben und weiterzugeben, Lösungen zu entwickeln und diese umzusetzen, sich mit anderen zu vernetzen und gemeinsam die Wirkung der entwickelten Lösungen zu verstärken.
Klimaschutz im Baugesetzbuch
- Klimaschutznovelle 2011
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Am 30. Juli 2011 trat das „Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden“ (BauGB-Klimaschutznovelle) in Kraft. Mit dieser Gesetzesnovelle wird anerkannt, dass Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel dauerhafte Zukunftsaufgaben der Städte und Gemeinden sind und sein werden. In der Folge wurde zur Konkretisierung des Klimaschutzzieles festgelegt, dass Bauleitpläne „dem Klimaschutz und der Klimaanpassung“ (§ 1 Abs. 5 Satz 2) Rechnung tragen sollen. Es wird zusätzlich an mehreren Stellen(§ 1a, § 5, § 171a) darauf hingewiesen, dass verstärkt dem Klimawandel entgegengewirkt und die Bodennutzung an den Klimawandel angepasst werden soll.
Das Gesetz soll in höherem Maße als bisher zum städtebaulichen Klimaschutz beitragen. Es werden Voraussetzungen geschaffen, die Errichtung von Anlagen und Einrichtungen, mit denen dem Klimawandel entgegengewirkt bzw. eine Anpassung an den Klimawandel erreicht werden kann, planungsrechtlich zu erleichtern. Dies gilt ganz besonders bei der Gewinnung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung (§ 9, § 11, § 148). Sonderregelungen für die Windenergienutzung werden eingefügt und die Nutzung insbesondere von Photovoltaikanlagen an oder auf Gebäuden im Außenbereich wird erleichtert. Neben der Konkretisierung der Festsetzungsmöglichkeiten wirkt sich die Zielsetzung, den Klimaschutz und die Klimaanpassung zu fördern, auch auf im Außenbereich privilegierte Vorhaben aus:
- Biomasseanlagen sind nun mit einer maximalen Feuerungswärmeleistung von 2,0 MW und maximal 2,3 Mio. Normkubikmeter Biogas pro Jahr privilegiert zulässig (§ 35 Abs. 1 Nr. 6 Buchstabe c). Bisher genossen Biomasseanlagen mit einer installierten elektrischen Leistung von maximal 0,5 MW eine Privilegierung. Trotz der Erhöhung um 1,5 MW führt die BauGB Novelle nicht zu einer nennenswerten Erhöhung der Leistung privilegierter Biomasseanlagen.
- Anlagen zur Nutzung von Solarenergie an und auf Dach- und Außenwandflächen sind im Außenbereich privilegiert zulässig (§ 35 Abs. 1 Nr. 8), sofern die Gebäude zulässigerweise genutzt werden und die Anlagen sich dem Gebäude baulich unterordnen. Ob die Energie vor Ort verbraucht wird, vollständig oder teilweise ins öffentliche Netz eingespeist wird, ist für die Privilegierung nicht relevant. Aus der Privilegierung ergibt sich eine Stärkung für die Gewinnung von Wärme aus Solarthermieanlagen und Strom aus Photovoltaikanlagen.
In der BauGB Novelle 2011 sind darüber hinaus die §§ 248 und 249 neu hinzugekommen. Sie beinhalten Sonderregelungen zur sparsamen und effizienten Nutzung von Energie (§ 248) und eine Sonderregelungen zur Windenergie in der Bauleitplanung (§ 249):
- § 248 gestattet eine geringfügige Abweichung des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche von bestehenden Gebäuden, wenn an ihnen nachträglich Maßnahmen zur sparsamen und effizienten Nutzung von Energie ergriffen werden. Beispielsweise betrifft dies eine nachträgliche Wärmedämmung oder das Anbringen von Solaranlagen zur Strom- oder Wärmeerzeugung an Dach- und Außenwänden.
- § 249 enthält eine Klarstellung zur Ergänzung bestehender Darstellungen zur Windenergie im Flächennutzungsplan und gibt den bisher fehlenden gesetzlichen Rahmen für das Repowering von Windenergieanlagen. Repowering bedeutet, dass leistungsschwache Altanlagen durch neue, leistungsstärkere Windenergieanlagen ersetzt werden und ggf. eine Bündelung in Windparks an Stelle der Einzelstellung erfolgt. Nach § 249 Abs. 2 kann geregelt werden, dass Windenergieanlagen, die im Bebauungsplan festgesetzt oder im Flächennutzungsplan dargestellt sind, erst zulässig sind, wenn andere im Plan bezeichnete Windenergieanlagen stillgelegt oder zurückgebaut werden.
- Innenentwicklungsnovelle 2013
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Nach der Klimaschutznovelle des Baugesetzbuchs trat 2013 das „Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts“ vom 11. Juni 2013 (BGBl. I S. 1548) in Kraft. Damit war das Gesetzespaket komplettiert, mit dem Klimaschutz und Innenentwicklung stärker in der Siedlungsentwicklung berücksichtigt werden. Kernpunkt des Gesetzes zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts ist eine Reduzierung der Inanspruchnahme neuer Flächen für Siedlungszwecke. Folgende Aspekte sind wichtige Änderungen der Gesetzesnovelle, die einer klimagerechten Siedlungsentwicklung dienen:
- Stärkung der Innenentwicklung
Die städtebauliche Entwicklung soll vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen (§ 1 Abs. 5 Satz 3). Hiermit steigt die Bedeutung von Brachflächen, Baulücken und leerstehenden Gebäuden als Orte der Nachverdichtung. Die Innenentwicklung wird auch dadurch unterstützt, dass die Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung von Gewerbe- oder Handwerksbetrieben sowie Wohnzwecken dienenden baulichen Anlage im Innenbereich erleichtert wird (§ 34 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1). Die Gesetzesnovelle enthält hier explizit eine Erleichterung zugunsten von Wohnzwecken. Im Einzelfall kann die Umnutzung brach gefallener Gewerbebetriebe zu Wohnnutzung dem Einfügungserfordernis entsprechen. - Schutz des Außenbereiches
Die Siedlungserweiterung auf der grünen Wiese wird erschwert, da zukünftig eine Begründung notwendig ist, wenn Flächen aus der Landwirtschaft und Wald einer neuen Nutzung zugeführt werden sollen (§ 1a Abs. 2 Satz 4). Im Rahmen der Begründung sollen auch die Möglichkeiten der Innenentwicklung zugrunde gelegt werden. Die Kapazität von privilegierten Biogasanlagen hat sich erneut geändert: Sie dürfen 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr nicht überschreiten. Für andere Anlagen gilt eine maximale Feuerungswärmeleistung von 2,0 Megawatt. (§ 35 Abs. 1 Nr. 6d). Die Privilegierung von Tierhaltungsanlagen, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. Vorprüfung unterliegen, entfällt (§ 35 Abs. 1 Nr. 4). Dabei hat die UVP kumulierende Vorhaben (betrieblicher, baulicher Zusammenhang) gemeinsam zu prüfen. § 245a Abs. 3 und 4 enthalten dabei anzuwendende Überleitungsvorschriften. - Die Kapazität von privilegierten Biogasanlagen hat sich erneut geändert:
Sie dürfen 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr nicht überschreiten. Für andere Anlagen gilt eine maximale Feuerungswärmeleistung von 2,0 Megawatt. (§ 35 Abs. 1 Nr. 6d). Die Privilegierung von Tierhaltungsanlagen, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. Vorprüfung unterliegen, entfällt (§ 35 Abs. 1 Nr. 4). Dabei hat die UVP kumulierende Vorhaben (betrieblicher, baulicher Zusammenhang) gemeinsam zu prüfen. § 245a Abs. 3 und 4 enthalten dabei anzuwendende Überleitungsvorschriften. - Erweiterung des Katalogs der städtebaulichen Missstände im besonderen Städtebaurecht
Der energetische Zustand der Bebauung und der Versorgungseinrichtungen hat durch die Gesetzesnovelle an Bedeutung gewonnen. Zum einen ist er als Kriterium für die Beurteilung von städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen neu hinzugekommen. Denn bei der Beurteilung, ob städtebauliche Missstände vorliegen, wird auch die energetische Beschaffenheit, die Gesamtenergieeffizienz der vorhandenen Bebauung und der Versorgungseinrichtungen berücksichtigt (§ 136 Abs. 3 Nr. 1h). Zum anderen sind bei Erhaltungssatzungen auch energetische Belange zu berücksichtigen. So ist eine Genehmigung für die Änderung einer baulichen Anlage zu erteilen, wenn die Änderung der Anpassung an die baulichen oder anlagentechnischen Mindestanforderungen der Energieeinsparverordnung dient (§ 172 Abs. 4 Nr. 1a).
- Stärkung der Innenentwicklung
- Städtebaurechtsnovelle 2017
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Die BauGB-Novelle 2017 diente zuvorderst den Zielen der Anpassung nationalen Rechts an das geltende EU-Recht (UVP-Änderungsrichtline des Europäischen Parlamentes und des Rates der EU vom 16. April 2014). Inhaltlich soll vor allem das Zusammenleben der Einwohnerinnen und Einwohner in Städten durch die Neuerungen gefördert werden, Städte sollen sozial gerecht, nachhaltig und klimaangepasst gestaltet sein. Nutzungskonflikte, die durch den demografischen Wandel, technische Neuerungen und den Klimawandel entstanden sind und weiter entstehen, sollen so bearbeitet werden. Um diese Ziele umzusetzen und als Voraussetzung mehr Wohnraum schaffen zu können, wurde die Baugebietskategorie „Urbane Gebiete“ in die BauNVO eingeführt. Mit der Kategorie Urbane Gebiete gemäß §6a BauNVO wird die Möglichkeit geschaffen, Wohnnutzungen in lärmvorbelasteten gewerblich genutzten Mischgebieten auszuweisen. Die TA Lärm gibt für Urbane Gebiete höhere Lärm-Immissionsrichtwerte vor als für Allgemeine Wohngebiete und Kleinsiedlungsgebiete.
In §1 (6) Nr. 7a wurde ausdrücklich auch die Fläche in die zu berücksichtigenden Belange des Umweltschutzes aufgenommen: „Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt“.
Darüber hinaus ist die 2017 in Kraft getretene befristete Möglichkeit, Außenbereichsflächen (über 10.000 m2) im beschleunigten Verfahren zur Aufstellung von Bebauungsplänen (§ 13b BauGB) ausweisen zu können, im Hinblick auf den Flächenverbrauch als tendenziell kritisch einzustufen, so führte sie z.B. besonders in kleinen Kommunen zu teilweise umfangreichen Eingriffen in den Naturhaushalt. (UBA 2020, Evaluation zu § 13b BauGB)
- Baulandmobilisierung-Novelle 2021
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Die Neuregelung des § 176a BauGB sieht für Kommunen die Möglichkeit vor, ein städtebauliches Entwicklungskonzept zur Stärkung der Innenentwicklung aufzustellen. Durch die Erweiterung des kommunalen Vorkaufsrechts können Städte und Gemeinden gezielter Einfluss auf die Bebauung von Freiflächen nehmen. Die Frist für das Vorkaufsrecht wurde verlängert, zudem gilt das Vorkaufsrecht für Grundstücksbrachen und Immobilien, die vom Eigentümer nicht Instand gesetzt werden.
In den durch Verordnung des Landes bestimmten Städten und Gemeinden mit angespanntem Wohnungsmarkt können Kommunen durch das erweiterte Baugebot Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern verpflichten, Bauland mit Wohnimmobilien zu bebauen, soweit der Bebauungsplan dies zulässt (§201a BauGB).
Kommunen können mit Hilfe sektoraler Bebauungspläne neue Bauleitpläne erstellen, die gezielt den Wohnungsbau fördern. Die entsprechende Neuregelung von § 9 Abs. 2d BauGB ist bis Ende 2024 befristet. Dabei kann festgelegt werden, dass nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich der Vorhabenträger für alle oder einen bestimmten Teil der Wohnungen verpflichtet, die Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung einzuhalten.
- Energie-Novelle 2022
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Im Jahr 2022 ist die erste von zwei BauGB-Novellen, die Regelungen für Anlagen für erneuerbare Energien betreffen, in Kraft getreten. Das Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht dient dem Ausbau erneuerbarer Energien auf Flächen des Tagebaus sowie entlang von Bundesverkehrswegen und der Erleichterung der Installation von Wasserstoffanlagen im Zusammenhang mit Windenergieanlagen. Die Novelle soll damit zum Ausbau erneuerbarer Energien und der Energiesicherheit beitragen.
Der neue § 35 Abs. 1 Nr. 8b erweitert die Privilegierung von PV-Anlagen im Außenbereich auf Freiflächen längs von Autobahnen und Schienenwegen.
Der §249 BauGB wird um die Paragrafen §249a BauGB und § 249b BauGB erweitert. §249a BauGB regelt, dass Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff (Elektrolyseure) im räumlichen Zusammenhang zu Windenergie- und PV-Anlagen privilegiert werden. Dies gilt bei Einhalten einer Grundfläche von nicht mehr als 100m2. Der neu eingeführte § 249b BauGB ermöglicht es den Bundesländern mit Hilfe von Rechtsverordnungen, Flächen des Braunkohletagebaus beschleunigt mit Windenergie- sowie PV-Anlagen zu belegen.Darüber hinaus trifft der § 249 Abs. 10 BauGB in der neuen Fassung erstmals gesetzliche Regelungen zur optischen Beeinträchtigung durch Windenergieanlagen.
- Energie-Novelle 2023 / Wind-an-Land-Gesetz
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Mit dem am 01.02.2023 in Kraft getretenen Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land wurden u. a die Regelungen im Baugesetzbuch zur Planung und Zulässigkeit von Windenergieanlagen grundlegend umgestellt.
Um mehr Flächen für Windkraftanlagen verfügbar zu machen, werden den Ländern mit dem „Windenergie-an-Land-Gesetz“ Flächenziele für den Ausbau der Windenergie vorgegeben: Bis 2027 sollen 1,4 %, bis 2032 2 % der Bundesfläche für die Nutzung durch Windenergieanlagen bereitstehen. Um Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich zu beschleunigen, wurden im Naturschutzgesetz bundeseinheitliche Standards zur artenschutzrechtlichen Prüfung eingeführt (§ 45b BNatSchG). Landschaftsschutzgebiete können als Standorte für Windenergie genutzt werden.
Im Rahmen des Wind-an-Land-Gesetzes wurden einige Änderungen im BauGB beschlossen, die den Ausbau von Windenergieanlagen befördern sollen: Im § 35 BauGB ist nun festgehalten, dass sich der Bau von Windanlagen im Außenbereich neben den allgemein zu beachtenden Voraussetzungen nach § 249 BauGB („Sonderregelungen zur Windenergie“) richtet. Dies ermöglicht das Errichten von Windanlagen im Außenbereich auch außerhalb von Windenergiegebieten und vereinfacht gleichzeitig die Ausweisung von Zonen zur Konzentration von Windenergieanlagen. Die Länderöffnungsklausel in § 249 BauGB wir dahingehend geändert, dass die Regelungen zu Mindestabständen nicht für Windenergiegebiete gelten. Darüber hinaus können die Abstandsregelungen der Länder solange nicht angewendet werden, wie die Fristen zum Erreichen der Flächenziele nicht eingehalten werden.
- Novelle des Baugesetzbuches (BauGB) 2024 (Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der integrierten
Stadtentwicklung) -
Der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung beinhaltet auch Änderungen im Hinblick auf Klimaschutz und Klimaanpassung auf kommunaler Ebene. Ziel der Änderungen ist es, Klimaschutzmaßnahmen als Teil der Bauleitplanung hervorzuheben und die Bauplanung stärker an die Herausforderungen des Klimawandels anzupassen sowie umweltfreundlicheres Bauen zu fördern. Die zentralen Punkte des vorgelegten Entwurfes des „Gesetzes zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung“ sind:
Stärkere Berücksichtigung des Klimaschutzes: Städte und Gemeinden haben bei der Planung und Entwicklung von Bauvorhaben den Erfordernissen des Klimaschutzes durch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, Rechnung zu tragen; dabei sind Klimaschutzkonzepte zu berücksichtigen.
Förderung der Klimaanpassung: Neben dem Klimaschutz wird auch die Klimaanpassung betont. Siedlungen und Infrastrukturen sollen gegenüber den Folgen des Klimawandels widerstandsfähiger gemacht werden, beispielsweise durch den Schutz vor Extremwetterereignissen, wie Starkregen oder Hitzeperioden. So sollen die Kommunen künftig bei der Erteilung von Baurecht die Anlage von dezentralen Versickerungssystemen auf einem Grundstück oder auch die Anlage eines Gründaches anordnen können, insbesondere soll diese Möglichkeit auch für den unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) geschaffen werden. Zudem soll eine Mehrfachnutzung von Flächen künftig leichter werden, z. B. durch eine gleichzeitige Nutzung als Überflutungsfläche. Im Rahmen des Pflanz- und Maßnahmengebots müssen Bauherren zukünftig bei den zuständigen Behörden sogenannte Ausgleichsmaßnahmen innerhalb einer bestimmten Frist nachweisen, beispielsweise das Pflanzen von Bäumen oder die Begrünung von Dächern (vgl. § 135a BauGB).
Nachhaltigere Flächennutzung: Der Gesetzentwurf sieht eine nachhaltigere Nutzung von Flächen vor, um den Flächenverbrauch zu reduzieren. Dies beinhaltet Maßnahmen zur Innenverdichtung, um weniger neue Flächen für Siedlungs- und Verkehrsprojekte zu verbrauchen. So soll leichter in zweiter Reihe auf dem Grundstück oder auf Höfen gebaut werden können, was bisher daran scheiterte, dass eine solche verdichtete Bebauung häufig dem bisherigen Charakter des Quartiers nicht entspricht.
Kommunale Planungsinstrumente
Den Kommunen stehen verschiedene formelle und informelle Planungsinstrumente zur Verfügung, um ihre Aufgabe zu erfüllen, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde im Sinne einer klimagerechten Siedlungsentwicklung vorzubereiten und zu leiten. Die zwei wichtigsten formellen Instrumente der kommunalen Planung sind der Flächennutzungsplan als vorbereitender Bauleitplan sowie der Bebauungsplan als verbindlicher Bauleitplan. Darüber hinaus gibt es informelle Planungsinstrumente, wie z. B. Integrierte Stadtentwicklungskonzepte oder Klimaschutzkonzepte.
- Flächennutzungsplan
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Der Flächennutzungsplan stellt das ganze Gemeindegebiet und die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung dar. Ziel einer nachhaltigen und klimafreundlichen Siedlungsentwicklung sollte es sein, die Inanspruchnahme neuer Flächen so weit wie möglich zu reduzieren sowie kompakte Siedlungsstrukturen und die Innenentwicklung der Städte zu fördern. Im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung hat die Wiedernutzung städtebaulicher Brachen und leerstehender Gebäude Vorrang vor der Ausweisung neuer Flächen. Um diese Ziele zu erreichen, kann im Rahmen der Anpassung und Neuaufstellung von Flächennutzungsplänen der Schwerpunkt der gemeindlichen Flächenentwicklung auf eine verkehrsreduzierende und ressourcenschonende Siedlungsstruktur ausgelegt werden. Auf der Grundlage eines kommunalen Freiflächenkonzeptes können im Flächennutzungsplan auch Voraussetzungen dafür getroffen werden, dass z.B. Frischluftschneisen im Gemeindegebiet von Bebauung freigehalten und im Siedlungsbereich Grünachsen dargestellt werden, die dem siedlungsnahen CO2-Austausch und der Reduzierung der Überhitzung des Stadtklimas dienen.
Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen auf Ebene der Flächennutzungsplanung: s.a. Thema Flächenentwicklung
- Bebauungsplan
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Als verbindliche Bauleitplanung regelt der Bebauungsplan die planrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben. Festsetzungen im Bebauungsplan können zwar nur aus städtebaulichen Gründen getroffen werden, gleichwohl gibt es zahlreiche Festsetzungsmöglichkeiten, die dem Klimawandel und der Klimaanpassung dienlich sind. Mit einer energetischen Optimierung der Ausrichtung der Gebäude, einer effektiven Nutzung der aktiven und passiven Solarenergie sowie einer kompakten Realisierung der Baukörper durch die Festsetzung von Bauweisen können der Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel in einem Baugebiet berücksichtigt werden. Durch die Festsetzung von Versorgungsflächen werden im Bebauungsplan die Voraussetzungen für die Nutzung von Nahwärmekonzepten geschaffen. In den örtlichen Bauvorschriften über Gestaltung können im Kontext gestalterischer Konzepte Dach- und Fassadenbegrünungen vorgeschrieben werden. Da der Bebauungsplan die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung enthält, kann über die Festsetzung der Art und des Maßes der baulichen Nutzung, der Baugrenzen und über örtliche Bauvorschriften auf energetisch relevante Größen, wie z.B. die Kompaktheit der Gebäude, Einfluss genommen werden. Die Bauleitplanung setzt damit den Rahmen für eine klimaschonende und energieeffiziente Siedlungsgestaltung.
Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen auf Ebene der Bauleitplanung: s.a. Thema Siedlungsplanung
- Städtebaulicher Vertrag
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Städtebauliche Verträge sind ein weiteres Rechtsinstrument, mit dem die Kommune ihre städtebaulichen Ziele umsetzen kann. Mit einem Städtebaulichen Vertrag wird die Zusammenarbeit zwischen Gemeinde und Privaten planungsrechtlich abgesichert. Mit diesem öffentlich-rechtlichen Vertrag werden städtebauliche Aufgaben, also auch der Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel, vorbereitet und ggf. auch mit über die Festsetzungen des Bebauungsplanes hinausgehenden Regelungen gesichert. Über die Städtebaulichen Verträge hinaus lassen sich aber auch bei der Veräußerung von städtischen Grundstücken zwischen Kommune und Grundstückseigentümern weitergehende Vereinbarungen treffen, die klimaschutzwirksame Bestimmungen enthalten.
Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen auf Ebene der Bauleitplanung: s.a. Thema Siedlungsplanung
- Informelle Planungsinstrumente
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Informelle Planung ist im Ablauf weniger geregelt als die formelle Planung. Informelle Planungsinstrumente können insofern je nach Anlass, Thema, räumlicher Situation und Akteurskonstellation flexibel ausgestaltet werden. Informelle Planung ist wichtig für die Vorbereitung der formellen Planung, aber auch darüber hinaus ist sie in der Stadt- und Gemeindeentwicklung unverzichtbar. Die Ergebnisse informeller Planung entfalten keine formelle Verbindlichkeit. Vielmehr wird mit informellen Verfahren auf die Konsensbildung und Überzeugungswirkung hingearbeitet. Durch Beschluss informeller Planungen in der Gemeinde werden diese jedoch auch bindend für das kommunale Handeln. Das Spektrum informeller Planungsinstrumente reicht von integrierten Stadtentwicklungskonzepten, städtebaulichen Rahmenplänen sowie Landschafts- und Grünordnungsplänen über Baulückenkataster, Hochwasserschutzkonzepte, Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzepten, kommunale Wärmeplanung, Energie(versorgungs)konzepte bis hin zu Lärmminderungsplänen und Verkehrskonzepten.
Das Baugesetzbuch stellt ausdrücklich klar, dass es sich bei den informellen Planungsinstrumenten um wichtige Abwägungsgrundlagen für die Bauleitplanung der Städte und Gemeinden handelt.