Um das Ziel, bis 2040 den Gebäudebestand klimaneutral zu machen, zu erreichen, ist aufeinander abgestimmtes Handeln auf unterschiedlichen Ebenen erforderlich. Den Blick auf Quartiere zu richten, ist dabei eine wichtige Strategie. Hier können Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden, Energieversorgung, Produktion erneuerbarer Energien und Mobilität in ihrem Zusammenwirken betrachtet und aufeinander abgestimmt entwickelt werden. Städtebauliche, baukulturelle, wohnungswirtschaftliche und soziale Belangen können bei der Entwicklung der Strategien zum energetischen Umbau berücksichtigt werden.
Handlungsfelder
- Energieeffizienz der Gebäudesanierung
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Die Effizienzsteigerung im Gebäudebereich gehört zu den wichtigsten Handlungsfeldern der energetischen Stadtsanierung. Das größte CO2-Minderungspotenzial im Rahmen der energetischen Gebäudesanierung liegt in der Reduktion des Energieverbrauchs für Raumwärme. Hier entfielen 70% des Endenergieverbrauchs in Privathaushalten im Jahr 2020 auf die Heizwärme der Wohngebäude, weit vor Warmwasser (15%), sonstigen Betrieb von Elektrogeräten (8%), sonstiger Prozesswärme (6%) und Beleuchtung (1%). (Statistisches Bundesamt Destatis 2024).
Die energetische Ertüchtigung der vorhandenen Bausubstanz ist allerdings nicht nur unter Klimaaspekten, sondern auch vor dem Hintergrund steigender Energiepreise und damit verbundener Bewirtschaftungs- bzw. Wohnkosten von Bedeutung. In den Quartieren sind aus diesem Grund nicht allein Wohngebäude, sondern auch Gemeinbedarfseinrichtungen und Nichtwohngebäude in die Strategien zur Sanierung einzubeziehen.
- Energieeffiziente Wärmeversorgung
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Die Anpassung der Wärmeversorgung an den zukünftigen Verbrauch und deren klimaneutrale Gestaltung sind wichtige Bausteine der Energieeffizienz.
Im integrierten Quartierskontext ist sowohl das Erschließen neuer Potenziale für eine zentrale Wärmeversorgung (Fern- und Nahwärmelösungen), als auch die Entwicklung dezentraler Wärmekonzepte (insbesondere Wärmepumpe) herauszuarbeiten. Dabei ist das Wechselverhältnis zwischen Wärmeabnahme und Wärmebereitstellung in Übereinstimmung zu bringen. Je geringer der Transmissionswärmeverlust durch die Gebäudehülle ist, desto weniger Heizwärmeenergie wird benötigt. Mit dem Ausbau von Wärmenetzen z.B. auf Grundlage von Großwärmepumpen sind weitere Energiegewinnungen verbunden, da sie mit erneuerbarem Strom (z. B. aus Photovoltaik) betrieben werden sollten. - Nutzung regenerativer Energien im Quartier
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Fast in jedem Quartier ergeben sich Möglichkeiten, den Anteil erneuerbarer Energien an der Energieerzeugung zu erhöhen. Dabei sind die Potenziale in Siedlungszusammenhängen in der Regel nicht komplexe alternative Lösungen, sondern in der Regel kleinteilige Maßnahmen, die der vorhandenen Bebauungsdichte angemessen sind. Die Potenziale liegen in der Nutzung von Wärme und Strom aus gebäudebezogenen Photovoltaikanlagen, großflächigen Solarthermiefeldern in Kombination mit Saisonalspeicher, ggf. der Nutzung von lokaler Biomasse sowie der Nutzung von quartiersbezogenen Geothermieanlagen und (Groß-)Wärmepumpen (z. B. Sole-Luft-Wärmepumpe). Am Anfang (z. B. im Rahmen eines Integrierten Quartierskonzepts oder der kommunalen Wärmeplanung) sind die Potenziale für die Gewinnung regenerativer Energie zu erheben sowie Strategien zur Förderung und wirtschaftlichen Umsetzung ggf. durch neue Trägerformen (z.B. lokale Energiegenossenschaften) zu entwickeln.
- Klimagerechte Mobilität
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Zusätzliche Potenziale zur Senkung der CO2-Emissionen und Steigerung der Energieeffizienz liegen im Handlungsfeld Mobilität. Mit einem Anteil von 19% gehört der Verkehr zu den großen Verursachern von Treibhausgasemissionen in Deutschland (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: Klimaschutz in Zahlen, Aktuelle Emissionstrends und Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland, Ausgabe 2022, Berlin 2022: 22). Dem Verkehrssektor ist im Rahmen von Strategien für den Klimaschutz auch deswegen besondere Beachtung zu schenken, weil sich die Klimabelastungen aus dem Verkehr im Vergleich zu anderen Sektoren in den vergangenen Jahren deutlich ungünstiger entwickelt haben. Ein zentraler Grundsatz im Bereich der Verkehrsvermeidung ist das Prinzip der „Stadt der kurzen Wege“, das durch eine Nähe der städtischen Funktionen viele notwendige Wege im Umweltverbund (Fuß-, Rad-, öffentlicher Personennahverkehr) ermöglicht. Im Kontext der energetischen Stadtsanierung sind die Verkehrsvermeidung und die Beeinflussung der Verkehrsmittelwahl in Richtung auf klimaschonende Verkehrsträger (Fuß- und Radverkehr, ÖPNV, Sharing-Angebote) sowie die Förderung von Elektromobilität von Bedeutung.
- Grüne Infrastruktur
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Das Schaffen, Gestalten und Aufwerten von Grünflächen, Dachbegrünungen, Fassadenbegrünungen und Entsiegelungen spielen eine große Rolle bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels im Quartier. Entsiegelungen, die Renaturierung urbaner Gewässer und ein Regenwasser-Management sind wichtig für einen ausgeglicheneren Grundwasserspiegel und können lokalen Überschwemmungen vorbeugen. Die Begrünung von Dach- und Fassadenflächen kühlt Gebäude im Sommer und trägt damit auch dazu bei den Energieverbrauch (z. B. für Klimaanlagen) zu senken. Die Vernetzung von Grün- und Freiräumen im Quartier schafft attraktive Mobilitätsräume für die Bevölkerung und die Fauna. Zu den positiven Effekten der Sicherung und des Ausbaus grüner Infrastruktur zählen die Speicherung von CO2 sowie die Verbesserung der CO2-Bilanz, eine Minderung der Überwärmung der Städte (Wärmeinseleffekte), Schutz vor Hochwasser und eine generell höhere Belastbarkeit von Ökosystemen. Weitere Informationen zum Thema Grüne Infrastruktur
Einbindung in kommunale Strategien
Je nach Quartierstyp sind Aufgabenstellungen und Handlungsspielräume sehr unterschiedlich. „Standardlösungen“ für die energetische Stadterneuerung wird es insofern kaum geben. Die Handlungsstrategien und Maßnahmenvorschläge müssen auf die Besonderheiten des jeweiligen Quartiers eingehen. Trotzdem können Kommunen ein Repertoire an Verfahrens- und Konzeptbausteinen entwickeln, die entsprechend der jeweiligen Ausgangssituation im Quartier zur Anwendung kommen.
- Stadtteilakteure einbinden
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Konzepte zur energetischen Quartierserneuerung berühren die Interessen vieler: Bürgerinnen und Bürger, Wohnungswirtschaft, private Eigentümerinnen und Eigentümer sowie Gewerbetriebe im Stadtteil. Die Umsetzung kann nur gelingen, wenn viele mitmachen und an einem Strang ziehen. Deswegen sollten die Konzepte in kooperativen Verfahren unter breiter Beteiligung der Öffentlichkeit und möglichst vieler Stadtteilakteurinnen und Stadtteilakteure ausgearbeitet werden.
- Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümerschaft erkunden
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Die energetische Stadtsanierung kann nur erfolgreich sein, wenn die Eigentümerschaft im Quartier im Rahmen der Vorbereitung (z. B. Konzeptentwicklung) mitarbeitet und Interesse an der Umsetzung entwickelt. Insofern sollten die Kommunen vor Beginn der Umsetzungsphase insbesondere die grundsätzliche Mitwirkungsbereitschaft (z.B. größerer Wohnungsunternehmen) im Quartier ausloten.
In Niedersachsen bietet zudem das Niedersächsische Quartiersgesetz Möglichkeiten, ein Quartier auf privater Ebene energetisch aufzuwerten. - Lokale Energieversorgungsunternehmen frühzeitig einbeziehen
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Stadtwerke und (lokale) Energieversorgungsunternehmen sind wichtige Partnerinnen im Rahmen der energetischen Stadtsanierung. Ihre Mitarbeit ist im Rahmen der Bestandsaufnahme wichtig, da sie verlässliche Verbrauchsdaten zur Verfügung stellen können, aber auch gerade für die Strategieentwicklung im Bereich der Wärmeversorgung sind ihr Know-how, ihre Kompetenzen und ihre Kooperationsbereitschaft gefragt. Auch in Bezug auf die Umsetzung sind sie wichtige Akteurinnen und Akteure, um die Treibhausgasemissionen im Quartier (und in der Kommune insgesamt) zu reduzieren. Außerdem kann die Gründung von Energiegenossenschaften ein gangbarer Weg sein, um lokale Energieeinsparungspotenziale zu heben sowie Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen.
- Quartiersauswahl in kommunale Gesamtkonzepte einbinden
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Die Auswahl der für eine energetische Stadtsanierung in Frage kommenden Quartiere sollte in gesamtstädtische Strategien eingebunden werden. Erst auf der Basis einer vergleichenden gemeindeweiten Betrachtung und Analyse der vorhandenen Quartiere kann die Begründung für die Auswahl einzelner Gebiete sinnvoll erfolgen. Kriterien sind u.a. energetische oder stadtklimatische Missstände ebenso wie besondere stadtentwicklungspolitische Handlungserfordernisse oder prioritäre Maßnahmen der kommunalen Wärmeplanung.
- Kultur der Energetischen Stadtsanierung und Verstetigung
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Die energetische Stadt- oder Quartierssanierung kann als strategisches Element in der kommunalen Stadtplanung eingesetzt werden. Eine wichtige Komponente des Gelingens ist nach Einschätzung kommunaler Vertreterinnen und Vertreter die Verstetigung einer Umsetzungsbegleitung (z. B. Sanierungsmanagement). Zur Finanzierung können gegebenenfalls Fördermittel akquiriert werden, zielführend wäre auch eine Kooperation z. B. mit der ansässigen Wohnungswirtschaft oder lokalen Energieversorgern.